Für ihr Buch sind Christian Fuchs und Paul Middelhoff durch Deutschland und Europa gereist und haben die wichtigsten Protagonisten der neurechten Szene getroffen. Während der Recherchen wurden sie bedroht, angelogen und gerieten in Shitstorms einer rechten Trollarmee. Über die Ziele der Bewegung, ihre Hintergründe und Methoden sprach Christian Fuchs in Leipzig mit unserem Chefredakteur Hans-Jürgen Rosch.
Hans-Jürgen Rosch: In eurem Buch geht es viel um Propaganda-Mechanismen. Die Neue Rechte rollt zum Beispiel Banner am Brandenburger Tor in Berlin aus, was sehr einer Greenpeace-Aktion gleicht. Hat die Neue Rechte bereits die Strukturen, um so gesteuert zu agieren oder sind das nur die Aktionen Einzelner?
Christian Fuchs: Ich muss grundsätzlich sagen, dass es die Neue Recht schon seit den 1950er-Jahren gibt. In dieser Zeit wurden die ersten Theoriewerke geschrieben. Mit Pegida 2014 oder Thilo Sarrazins Buch 2010 hat sie es geschafft, Menschen, die asylkritisch sind, emotional zu erreichen und sie dazu gebracht, sich der Bewegung anzuschließen.
Viele der Strategen, die heute die AfD beraten, die Verlage führen, die Magazine herausbringen, sind schon seit vielen Jahrzehnten aktiv, haben es aber nie geschafft, so viel Aufmerksamkeit zu erreichen. Das ist lange Jahre strategisch vorbereitet, gewollt und geplant. Genauso sind auch die Propaganda-Strategien von langer Hand erdacht und vorbereitet.
Eine Taktik ist zum Beispiel, Kritiker mundtot zu machen. Jeder, der die Neue Rechte kritisiert ist automatisch ein Feind. Das ist antidemokratisch, denn es gewinnt nicht das beste Argument, sondern sie haben einfach Recht und was sie sagen, gilt. Ein Ansatz dafür sind Trollarmeen, die Menschen, die sich im Internet öffentlich rechtskritisch äußern, einschüchtern.
Eine andere Taktik sind Guerilla-Aktionen, um mediale Aufmerksamkeit zu bekommen. Zum Beispiel das angesprochene Plakat am Brandenburger Tor. Sowas macht Greenpeace seit vierzig Jahren. Und sie haben einfach das Internet verstanden. Sie schaffen es in kleinen Gruppen mit vielen Fakeaccounts eine große Masse darzustellen.